Kevin Henkel ist Leistungsträger des Ringer-Bundesligisten RKG Freiburg 2000. Und er ist ein Athlet zwischen den Gewichtsklassen. Was bedeutet das für einen, der seinen Olympia-Traum begraben hat?
Als Kevin Henkel, damals 17-jährig, im September 2011 aus Markgröningen bei Ludwigsburg nach Freiburg ins Internat des hiesigen Olympiastützpunkts zog, dauerte es nicht lange, bis sich die Blicke auf ihn richteten. Wenn er an einem schönen Spätsommertag in kurzen Hosen und freiem Oberkörper sein individuelles Sprinttraining auf der Kunststoffbahn des Universitätsstadions absolvierte, schauten nicht selten die ein paar Jahre jüngeren Ringer Südbadens beim Stützpunkttraining durch die Glasfront der OSP-Halle nach draußen. Was sie sahen: einen Kevin Henkel mit Oberschenkeln wie Baumstämme, einem Kreuz wie ein Möbelpacker sowie schnellen Bewegungen und katzenartiger Gewandtheit, wie sie nun mal jedem guten Freistilringer zu eigen sein sollten.
14 Jahre sind seither vergangen, am 26. November wird Henkel 32 Jahre alt. Seit diesem Jahr gehört der viermalige deutsche Meister (je zweimal bis 65 sowie 70 Kilo) und Europameisterschafts-Fünfte von 2023 (bis 70 Kilo) keinem Leistungskader des Deutschen Ringer-Bundes mehr an. Und sein Traum, den er 2011 und in den Folgejahren noch geträumt und auf den er sein Leben ausgerichtet hatte, wird mit gefühlt 99,9-prozentiger Sicherheit nicht mehr in Erfüllung gehen: der Start bei Olympischen Spielen.
Er sagt, und ein bisschen schwingt in seiner Stimme Enttäuschung mit: „Ich stecke zwischen den olympischen Gewichtsklassen.“ Jahrelang quälte sich Henkel, um bei Turnieren im Limit bis 65 Kilogramm starten zu können. Er hungerte sich mehrere Kilo vom Leib – „abkochen“ nennen das die Kampfsportler mit einer Mischung aus Schlichtheit und Beschönigung. Denn die paar letzten hundert Gramm, um das angestrebte Gewicht zu erreichen, sind eine echte Qual – für Körper und Geist.
Eine Regeländerung des Weltverbands und ihre Auswirkungen auf Kevin Henkel
Als der Weltverband 2018 beschloss, dass die Ringer bei internationalen Wettkämpfen, die für jede Gewichtsklasse über zwei Tage gehen, an beiden Tagen gewogen werden und das Limit somit an zwei Tagen in Folge nicht überschritten werden darf, war für den Schwaben klar: „Das kann ich meinem Körper nicht mehr zumuten.“ Vor der Regeländerung hatten die Athleten nur vor dem ersten Wettkampftag das Gewicht auf die Waage bringen müssen. Am zweiten Tag durften sie mehr wiegen.
Wer zu schwer ist für 65 Kilo, muss bei Olympia im Limit bis 74 Kilo ran, „in der Königsklasse des Ringens“, wie Kevin Henkel sie nennt. Bei EM und WM gibt es indes noch eine Gewichtsklasse dazwischen: bis 70 Kilo. „Man muss schon fast ständig Medaillen bei EM und WM holen, also absolute Weltspitze sein, um bei Olympia auch eine Gewichtsklasse höher Chancen zu haben, Medaillen zu gewinnen“, so Henkel.
Und so war irgendwann für ihn der Traum von einem Start im Zeichen der fünf Ringe ausgeträumt. Zu schwer für 65 und zu leicht für 74 Kilo. Es war nicht einfach für den Industriekaufmann, der in Freiburg beim Pharmahersteller Pfizer arbeitet, sich damit abzufinden. Inzwischen hat er es geschafft.
Ein echter „Vereinshopper“
Trotz des verlorenen Kaderstatus, Medaillen bei deutschen Meisterschaften gewinnen und in möglichst vielen Mannschaftskämpfen als Sieger von der Matte gehen, das sind die neuen Ziele des Kevin Henkel. Dass er nicht nur ein „Springer zwischen den Gewichtsklassen“ ist, sondern auch ein „Vereinshopper“, das ist dem bald 32-Jährigen klar. “ Asperg, Dewangen, Urloffen, Adelhausen, Ispringen, Freiburg, Baienfurt-Ravensburg und dann ein zweites Mal Adelhausen und Freiburg – das sind seine Ringer-Stationen in den vergangenen Jahren. „Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, das Geld hat dabei nie eine Rolle gespielt“, so Henkel.
In dieser Saison kommt er bei der RKG Freiburg gar im Limit bis 80 Kilo zum Einsatz. Von bisher acht Kämpfen gewann er drei. Vor zwei Wochen hatte er den für Ungarn ringenden Weltranglistenvierten Murad Kuramagomedov am Rande eine Niederlage, vergangenen Samstag gelang ihm ein Überlegenheitssieg gegen den Kleinostheimer Christoph Henn. Und vielleicht kann er schon an diesem Samstag (19.30 Uhr/Staudingerhalle), wenn die RKG Freiburg gegen den mehrfachen deutschen Mannschaftsmeister Wacker Burghausen antritt, seine persönliche Bundesliga-Bilanz verbessern.
Kevin Henkel hat gelernt, sich neue und kurzfristig realisierbare Ziele zu setzen.
Aus Badische Zeitung: Georg Gulde, Sport in der Region, S.31, 13.11.2025
Eine Augenweide in Zeitlupe – Kevin in Aktion
1. Bundesliga
Der Serienmeister kommt
Samstag, 15.11.2025
RKG Freiburg 2000 vs SV Wacker Burghausen
Kampfbeginn: 19.30 Uhr
Vorkampf
2. Mannschaft vs KSV Haslach i.K.
Kampfbeginn: 18.00 Uhr