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Fleißig, zielstrebig, selbstkritisch, erfolgreich: Ringer Nico Megerle trainiert für seinen Traum, 2028 bei den Olympischen Spielen starten zu dürfen. Foto: Achim Keller

20.08.2024 (BZ) Nico Megerle: „Ich will jeden Tag das Beste aus mir herausholen“

Nico Megerle ist Ringer. Der 24 Jahre alte Ortenauer aus Hofstetten gehört schon jetzt zu den besten Deutschlands. In der neuen Saison ringt er für die RKG Freiburg. Sein Fernziel: die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles.

Eines Tages will er es tun. Er weiß auch schon ziemlich genau, wann es sein wird. Irgendwann in der zweiten Woche der Olympischen Sommerspiele von Los Angeles. An einem Tag Ende Juli im Jahr 2028. Nico Megerle will dann das tun, was in der vergangenen Woche die drei südbadischen Ringerinnen Annika Wendle, Sandra Paruszewski und Luisa Niemesch beim Weltfest des Sports getan haben: Vor 8000 Zuschauerinnen und Zuschauern in der Champs-de-Mars-Arena zu Füßen des Eiffelturms, live übertragen im Fernsehen und Internet überall in der Welt.

„Ich will einmal in die Halle ’reinlaufen und bei Olympischen Spielen starten.“ Nico Megerle

„Als ich sah, wie die Athletinnen und Athleten in Paris auf die Matte gingen und für das Team Deutschland antraten, hat mir das Gänsehaut gemacht. So will ich auf jeden Fall auch einmal in die Halle ’reinlaufen und bei Olympischen Spielen starten.“ Das, sagt Megerle, sei das Ziel schlechthin in seiner sportlichen Laufbahn. Wendle, Paruszewski und Niemesch schienen die Ruhe selbst zu sein, als sie die olympische Ringerhalle betraten. Fokussiert, konzentriert, selbstbewusst, entschlossen. Bereit mit jeder Faser des Körpers.

Vielleicht träumt Megerle manchmal schon davon, wie er selbst sich fühlen wird, wenn ihm dieses große Glück im Leben eines Athleten in vier Jahren zuteil werden sollte. Es wird ein langer, sehr langer Weg nach Los Angeles sein, und Megerle will ihn Schritt für Schritt gehen, jeden Tag neu. Dafür lebt er und dafür brennt er, dafür stemmt er nun die Langhantel auf der Trainings-Etage des Olympiastützpunkts Freiburg-Schwarzwald.

Es ist Dienstagvormittag, die Scheiben an der Hantel sind ziemlich groß und schwer. Aber der Ortenauer, 1,75 Meter, 65 Kilogramm, kein Gramm Fett, schmal und doch muskelbepackt, nimmt alles auf sich, was ihn seinem Ziel Los Angeles näherbringt. „Ich schaue jeden Tag, dass ich das Beste aus mir herausholen kann“, sagt er. Vor zwei Jahren wechselte der Freistilspezialist in die Gewichtsklasse bis 65 Kilogramm, „weil sie olympisch ist“.

Er studierte alle Kämpfe in Paris genau

Natürlich hat er in der vergangenen Woche neben seinem Training zuallererst eins getan: Kämpfe der Ringerinnen und Ringer in Paris angeschaut. „Ich habe mir extra ein Abonnement dafür gekauft“, berichtet er der Badischen Zeitung. „Mich haben alle Kämpfe interessiert.“ Megerle war also nicht angewiesen auf den Livestream der ARD, in dem schon mal eine Stunde Standbild gezeigt wurde mit dem Hinweis, „gleich“ gehe es los – und dessen Übertragungszeit sich gern auch deutlich unterschied von dem, was die Öffentlich-Rechtlichen auf ihrer Homepage zuvor angekündigt hatten.

Megerle saugte die Kämpfe in sich hinein, studierte die Taktik-Tricks und akribisch den Sport, der ihn schon begleitet, seit er ein kleines Kind ist. Vater und Bruder waren selbst aktive Ringer. „Papa hat mich schon auf die Matte mitgenommen, als ich drei Jahre alt war.“ Damals habe noch das Spielerische im Vordergrund gestanden. Rolle vorwärts, Rolle rückwärts, später Salti schlagen, dann erstes Techniktraining. „Mit sechs Jahren bestritt ich meine ersten Wettkämpfe.“

Der Vater habe dabei keinerlei Druck ausgeübt, sagt er und lacht. Anfangs sei er auch gern beim Fußball gewesen, doch als die Trainingspläne immer umfangreicher wurden, habe er sich aufs Ringen spezialisiert. Vater Hans sei mittlerweile Trainer beim KSV Haslach, Bruder Luca wolle nach seinen vielen Verletzungen vom Sport erst einmal Abstand nehmen.

Hochkarätiger Neuzugang bei der RKG Freiburg

Der deutsche Meister und Nationalteam-Ringer wurde beim KSV Hofstetten in seinem Heimatort und später beim ASV Urloffen in der Ortenau groß. Vor zwei Jahren wechselte er zum damaligen Erstligisten TuS Adelhausen. In der kommenden Saison geht er für die RKG Freiburg auf die Matte. Die Runde in der zweiten Bundesliga beginnt für ihn am Samstag, 21. September, mit einem Heimkampf gegen den ASV Hüttigweiler. Die Freiburger sehen in ihm ihre hochkarätigste Neuverpflichtung in diesem Jahr. Auch mit seiner Hilfe wollen sie es diesmal weit bringen, die RKG setzt sich ambitionierte Ziele.

„Das Zusammenspiel aus Ausdauer, Kraft, Technik, Strategie, wie man auf die Matte geht, die Athletik des Körpers.“ Megerle über die Faszination Ringen

Obwohl er nun schon seit fast zwei Jahrzehnten regelmäßig auf der Matte steht, ist die Zuneigung zu seinem Sport jung wie am ersten Tag. „Ringen macht mir Spaß“, sagt er. „Das Zusammenspiel aus Ausdauer, Kraft, Technik, Strategie, wie man auf die Matte geht, die Athletik des Körpers“ – das alles, zählt er auf, fasziniere ihn nach wie vor. Längst hat Megerle auch international Erfahrungen gesammelt. Im vergangenen Jahr wurde er bei der U-23-WM in Tirana (Albanien) Sechzehnter und bei der U-23-EM in Bukarest (Rumänien) Siebter.

Die Olympischen Sommerspiele in Paris kamen für ihn noch zu früh, er nahm daher auch gar nicht erst an einem Qualifikationsturnier teil. Alles sei auf das Ziel „LA“, auf die Spiele des Jahres 2028, ausgerichtet, sagt er. Da wird er dann 28 Jahre alt sein. Im besten Ringer-Alter.

Die Ortenau bleibt seine Wohlfühloase

Natürlich kann er von seinem Sport allein nicht leben. Er hat eine Ausbildung bei der Polizei gemacht, ist jetzt Beamter und hat dabei die „Unterstützung von der Spitzensportförderung“, wie er sagt. Die Dienstpläne werden so an seinen Sport angepasst, dass er auf Lehrgänge gehen oder zu Wettkämpfen im In- und Ausland fahren kann. Schon vor neun Jahren zog Megerle ins Sportinternat des Olympiastützpunkts Freiburg/Schwarzwald. Drei Jahre später gründete er mit Bruder Luca eine Freiburger WG. Aber die Ortenau war, ist und bleibt seine Wohlfühloase. „Es ist immer schön, wieder heimzukommen und das Leben mit meiner Familie zu genießen“, sagt er.

Bericht aus: Badische Zeitung, Andreas Strepenick, 14.08.2024