Mit 77 Jahren macht der Ringer und Olympiamedaillengewinner Adolf Seger noch immer täglich Sport, am Sonntag (21.07.2022) war sein Tischtennis-Benefizturnier im Strandbad. Was hält ihn jung und gesund?
BZ: Herr Seger, wie jedes Jahr sieht man Sie auch diesen Sommer fast jeden Tag im Strandbad an der Tischtennisplatte. Was fasziniert Sie an diesem Sport?
Seger: Tischtennis spiele ich nur aus Freude. Ich sage immer: Ich spiele gern, aber nicht gut. Das Wichtigste ist für mich, unter Leuten zu sein und Menschen zusammenzubringen. Zur Zeit treffe ich mittags immer eine Gruppe von Nachwuchsspielern, die eine Stunde lang gegen mich spielen. Das macht Spaß und hält mich in Bewegung. Das Benefizturnier machen wir jetzt zum zwölften Mal, damit schlage ich jedes Jahr zwei Fliegen mit einer Klappe: Wir haben alle Freude und spenden Geld für die Kinderkrebshilfe.
BZ: Das sieht man. Für Ihre 77 Jahre sind Sie ziemlich fit. Wie schaffen Sie das?
Seger: Ich fahre viel Fahrrad, mache Kraftsport und bin in Sportgruppen aktiv, spiele zum Beispiel Fußball. Und natürlich Tischtennis. Ab und zu bin ich noch beim Olympiastützpunkt und schaue, was beim Ringen so los ist. Dort gebe ich auch gerne meine Erfahrung weiter, denn niemand kennt sich so gut in der Ringer-Technik aus wie ich. Mein Gespür dafür habe ich nie verloren. Als Ringer muss man nicht nur viel Kraft haben, sondern beweglich sein. Nicht nur Hornhaut, sondern Gespür, sage ich immer. Außerdem habe ich in meinem ganzen Leben noch nie geraucht und keinen Tropfen Alkohol getrunken. Das habe ich mir als zehnjähriger Bub geschworen und bis heute durchgezogen. Ich habe nicht mal den Sekt getrunken, den Bundespräsident Walter Scheel mir 1975 nach meinem ersten Weltmeistertitel angeboten hat.
Interview: „Die Leute sagen immer: Adolf Seger im Freiburger Strandbad – das ist ein ungeschriebenes Gesetz“
BZ: Das Treffen mit Walter Scheel war nur ein Höhepunkt Ihrer Karriere. Was sind weitere schöne Erinnerungen?
Seger: Ich bin als Ringer viel unterwegs gewesen, ein besonderes Erlebnis war der Aufenthalt im Iran. Dort fuhren wir vom Flughafen ins Hotel und auf dem Parkplatz rollte ein Omnibus voller Menschen ein. Sie stiegen aus und riefen meinen Namen. Jemand sagt mir, ich solle ihnen winken und Bilder mit ihnen machen. Auch in Freiburg begegnen mir noch ab und zu Iraner, die mich erkennen und sich dann vor mir verbeugen. Es ist schön, erkannt zu werden, das passiert mir öfter. Aber die Gedanken an den Iran, die nehme ich mit ins Totenbett. Ein weiteres Erlebnis war eine Anfrage des Filmteams von „Mein Name ist Nobody“. Sie hatten mich ringen sehen und wollten, dass ich in dem Terence-Hill- Film mitspiele. Das hat dann leider nicht geklappt, weil ich für Olympia trainieren musste.
Zur Person: Adolf Seger ist gebürtiger Freiburger und Ringer-Veteran. Er gewann zwei Bronzemedaillen bei den Olympischen Spielen und mehrere Welt- und Europameisterschaften. Seger war in Freiburg Postbote und ist durch seine Tischtennis-Aktivitäten im Strandbad bekannt.
BZ: Sie waren trotz ihrer Erfolge im Ringen 42 Jahre lang Briefträger in Freiburg. Was hat Ihnen daran gefallen?
Seger: Einerseits hat es mir geholfen, auf dem Boden zu bleiben. Mir war es immer wichtig, dass ich jeden Tag was Warmes zum Essen habe, nach Geld habe ich nie gestrebt. Das Preisgeld als zehnfacher Freistil-Weltmeister habe ich der Krebshilfe gespendet. Andererseits hatte ich viel Freude daran, mit dem Rad rumzufahren und unterschiedliche Leute zu treffen. Der Postschalter wäre nichts für mich gewesen. Dort hat mein bester Freund gearbeitet, Bernd Fleig. Wir sind ewige Kumpel, kennen uns seit über 70 Jahren. Bernd und ich sind wie zwei Pobacken – uns kriegt niemand auseinander.
BZ: Gemeinschaft und Freundschaft sind wichtige Pfeiler in Ihrem Leben?
Ich komme aus einer großen Familie, bin der Jüngste von sechs Brüdern, dazu kamen noch vier Schwestern. Wir haben damals alle in einem kleinen Zimmer in St. Georgen gelebt, das kann man sich gar nicht mehr vorstellen. Durch meinen großen Bruder Edmund bin ich zum Ringen gekommen, er war mein großes Vorbild und kämpfte 1960 bei den Olympischen Sommerspielen in Rom. Mittlerweile sind nur noch drei meiner Geschwister übrig, wir leben alle in Freiburg. Und meinen besten Freund Bernd hole ich immer ab und nehme ihn überall mit hin. Freundschaft und Familie sind mir sehr wichtig.
Aus, BZ-Plus: Gina Kutkat, 21.07.2022